Die unterschätzte Covid-19-Impfbereitschaft der Deutschen
Derzeit sind den Medien regelmäßig Meldungen zu entnehmen, in denen es um die Höhe der Impfbereitschaft gegen den Corona-Virus geht. Etwa Mitte Dezember, als die neusten Umfrageergebnisse der Studie „COVID-19 Snapshot Monitoring“ (COSMO) publik wurden, war von vielen Seiten große Bestürzung über die vermeintlich geringe Impfbereitschaft in der Bevölkerung wahrzunehmen. Im Rahmen des Umfrageprojektes erheben die Universität Erfurt, das Robert Koch-Institut und weitere Partner seit Beginn der Pandemie regelmäßig Bevölkerungsdaten.
So war im Dezember anhand der Studie zu lesen, dass der Anteil von Personen, die sich gegen Corona impfen lassen würden, nur etwa 48% beträgt. In der mittlerweile aktualisierten Befragung liegt der Wert nun bei verbesserten 57%. Inwieweit man diesen Daten vertrauen kann hängt wie bei allen anderen Umfragen auch von der gewählten Methodik ab. Insbesondere die Vorgehensweise bei der Stichprobenziehung und der verwendete Befragungsmodus als Online-Umfrage lassen Zweifel an der Verlässlichkeit der Daten aufkommen:
„Auf der Basis der aktuellen Ergebnisse der zwei-wöchentlichen COSMO Befragung (Welle 31, 22./23.12.20, 973 Befragte, und Welle 32, 29./30.12.2020, 1.007 Befragte, jeweils deutschlandweite nicht-probabilistische Quotenstichprobe, die die erwachsene Allgemeinbevölkerung für die Merkmale Alter x Geschlecht und Bundesland abbildet) leitet das COSMO Konsortium folgende Empfehlungen zur weiteren Gestaltung der COVID-19 Lage in Deutschland ab“
Quelle: Universität Erfurt
Zweifelhafte Methodik der COSMO-Studie zur Impfbereitschaft
Die aus meiner Sicht zentrale Kritik speist sich aus der Rekrutierung der Umfrageteilnehmer, die durch eine „nicht-probabilistische Quotenstichprobe“ gewonnen wurden. Hinter der sperrigen Formulierung verbirgt sich schlicht der Hinweis, dass für einzelne Personen keine Angaben zur Wahrscheinlichkeit möglich sind, mit der sie in die Stichprobe gelangen. Mit anderen Worten handelt es sich um keine echte Zufallsstichprobe. Rainer Schnell, Professor für empirische Sozialforschung in Duisburg, merkt dies u. a. in diesem Interview an. Er führt dies wie folgt aus:
„Zufallsstichproben sind dadurch definiert, dass man die Auswahlwahrscheinlichkeit berechnen kann. Aus dem Grunde funktionieren Quotenstichproben nicht […]. Im wissenschaftlichen Kontext gibt es keine Quotenstichprobe. Einige Daten der amtlichen Statistik sind dadurch verzerrt, weil sie nicht auf Zufallsstichproben basieren“
Quelle: Horizont.net
Bei einer solchen Quotenstichprobe rekrutiert man willkürlich Teilnehmer, bis gewisse Quotenvorgaben erfüllt sind. Besteht die Bevölkerung zur Hälfte aus Frauen in einem bestimmten Alters, so kontaktiert man so lange weibliche Teilnehmer in der Altersgruppe, bis die Quote von X% (an z. B. 1.000 Personen) erreicht ist – unabhängig davon, ob die teilnehmenden Frauen tatsächlich repräsentativ für alle Frauen sind oder sie im schlechtesten Fall über sehr spezifische Eigenschaften verfügen, die nicht auf eine größere Gruppe übertragbar sind. Umso erstaunlicher scheint es, dass das Robert Koch-Institut als nachgeordnete Behörde des Gesundheitsministeriums offenbar Vertrauen in die Daten setzt. Auch das bekannte Allensbach-Institut setzt auf solche Quotenstichproben, weshalb es laut Schnell methodisch isoliert sei und bei wissenschaftlichen Erhebungen keine Rolle spiele.
Vergleich mit repräsentativen Daten der Impfbereitschaft
Die aktuellen Zahlen zur Impfbereitschaft des Deutschlandtrends untermauern die methodische Schwäche der COSMO-Studie zusätzlich, nachdem man hier auf eine echte Zufallsstichprobe setzt: Hier geben 75% der Befragten an, sich auf jeden Fall oder wahrscheinlich gegen Corona impfen lassen zu wollen. Die Erhebungen durch COSMO und Deutschlandtrend wurden im Abstand von zwei Wochen durchgeführt, sodass die zeitliche Differenz zur Erklärung der unterschiedlichen Impfbereitschaft kaum nachvollziehbar erscheint.

Ein weiterer Hinweis der Methodenbeschreibung durch COSMO lässt ebenfalls aufhorchen: Die Umfrage wird als reine Online-Befragung durchgeführt. Konsequenz daraus ist auch hier, dass für Teilnehmer einer Online-Umfrage keine Auswahlwahrscheinlichkeiten berechnet werden können, die laut Schnell für eine funktionierende Studie benötigt werden (in einem anderen Beitrag habe ich eine Kritikpunkte an Online-Umfragen zusammengetragen). Zudem berichten die Studienautoren selbst, dass über 74-Jährige aus diesem Grund von der Befragung ausgeschlossen werden. Nach dem Blick auf die Zensusdaten des statistischen Bundesamtes schließt dies von vornherein 7.483.531 Bürger von der Befragung aus – das entspricht fast 10% der deutschen Gesamtbevölkerung.